Der Sonnenkopf und der Höhenzug, dem er angehört, begrenzen das Illertal im Blick von Sonthofen nach Süden auf der linken Seite. Am Imberger Horn beginnend, führt der Höhenzug zum Gerenkopf, über den Abschnitt „Auf der Schnippe“ zum Sonnenkopf (1712 Meter), zum Heidelbeerkopf und zum Schnippenkopf (1833 Meter). Endpunkt ist der Entschenkopf (2043 Meter), an dessen südlichem Ausläufer der Zug sich gabelt. Nicht nur kann man auf oder an diesem Rücken die Abendsonne länger genießen, auch am Morgen kommt hier natürlich die Sonne früher hin als in die Tallagen. Ob das der Grund für die Namensgebung war? Aber ja, warum nicht Sonnenkopf? Sympathisch ist er allemal.
Ausgangspunkt für eine Wanderung zum Sonnenkopf
Als Ausgangspunkt für Eilige oder Wanderer mit weniger Zeit eignet sich am besten der Parkplatz an der Sonnenklause oberhalb von Hinang. Hier gibt es nur wenige Plätze und die Straße muss für Rettungsfahrzeuge frei gehalten werden. Parken an der Straßenseite ist „absolut“ verboten, neuerdings auch in den wenigen kleinen Buchten entlang der Straße hoch bis zum Parkplatz. Kontrollen sind häufig und bei Verstößen unverschämt teuer, wenn man nicht weiß, wie man sich wehren kann. Ansonsten bietet sich Reichenbach, Hinang oder Altstätten an.
Das Knabenkraut, der Stängellose Enzian oder die Trollblume sind am Gipfel oder unterwegs recht häufig anzutreffen.
Für den Aufstieg zum Sonnenkopf gibt es zwei Varianten. Ich laufe eine Runde gegen den Uhrzeigersinn. Vom Parkplatz folge ich zuerst dem Wegweiser, der zum Schnippenkopf deutet. Der Weg führt teilweise über Asphalt, teilweise über Forstwege oder über Wanderpfade bis zur Vorderen Entschenalpe. Auf einer Höhe von etwa 1350 Metern zweigt er links ab, geht dann meist durch den Wald und steigt ab da steil an. Ab hier ist wieder ausdrücklich von Sonnenkopf die Rede.
Vom Sonnenkopf zum Schnippenkopf
Wer weiter als bis zum Sonnenkopf gehen will und Ausdauer hat, kann über den Heidelbeerkopf zum Schnippenkopf laufen. Von dort dann zurück über den Sattel bei Punkt 1634 und die Vordere Entschenalpe zum Ausgangspunkt. Oder eher gemütlich zurück über einen Teil des Panoramaweges „Auf der Schnippe“ und über die Dianahütte, dann über den Großen oder Kleinen Hof, zwei große Waldschneisen, die jeweils hangabwärts gerichtet sind. Diese Abstiegsmöglichkeit hätte auch mein Aufstieg sein können. Dann wäre ich die Runde im Uhrzeigersinn gegangen. Die längere und anspruchsvollere Variante umfasst knapp 900 Meter im Aufstieg, die kürzere etwa 670 Meter. Einkehrmöglichkeiten unterwegs gibt es keine.
Der Sonnenkopf: ein Ziel für das ganze Jahr
Die Strecke ist auch im Spätherbst nach dem ersten Schnee noch machbar, und relativ früh im Frühjahr schon schneefrei. Der Berg ist auch bei Schneeschuhgängern oder Skitourengängern sehr beliebt. Die Route und auch der ganze Höhenzug ist leicht zu bewältigen. Es gibt nur eine kurze Stelle am Schnippenkopf, kurz vor dem Gipfel, die heikel sein kann, weil bei Schnee die Drahtseilversicherung verborgen sein kann und die Stelle sehr ausgesetzt ist.
Eine Stunde barfuß am Sonnenkopf
Am Gipfel des Sonnenkopfes blies ein leichter, aber kühler Wind, der Himmel war strahlend blau mit einigen Wolken. Die wärmende Sonne zu genießen tat gut. Wenn ich Zeit habe, ziehe ich in solchen Momenten gerne die Schuhe aus. Ich verbinde damit eine Harmonisierung meiner Energie mit der der Erde, eine Kommunikation mit ihr, die durch Gummisohlen, wie ich meine, unterbunden wird. Viele unserer Krankheiten würden nicht auftreten, glaube ich, wenn wir draußen mehr barfuß laufen oder sein würden. Für einen Aufenthalt barfuß in der Höhe war es in der Sonne nicht zu kalt. Mehr über Barfußwandern in den Bergen habe ich im letzten Blogeintrag geschrieben.
Eine ganze Stunde nehme ich mir barfuß am Gipfel Zeit, lasse die Umgebung auf mich wirken und fotografiere. Nur wenige Wanderer sind an diesem Vormittag unterwegs. Der Blick schweift zum Großen Daumen, zu den Felsabbrüchen am Hindelanger Klettersteig und zu der Pflanzenwelt in der nahen Umgebung. Vor allem diese ist es, die ich mit der Kamera in den Blick nehme. Zarte Blätter und Blüten, das frische Grün der aufsprießenden neuen Vegetation, die unterschiedlichen Grüntöne. Ich lasse mir Zeit und betrachte entspannt die Landschaft. Inspiration zu diesem langsamen und achtsamen Vorgehen beim Fotografieren kam auch von einem Vortrag von Anna Morgan.
Was kommt dabei rum, wenn man sich die Zeit nimmt, eine Stunde am Gipfel zu fotografieren? Eine Menge Bilder.
Wieder einmal durfte ich feststellen, dass es lohnt, länger an einem Platz zu verweilen. Ich komme zur Ruhe, und nehme neue Möglichkeiten für meine Fotografie wahr. Ich probiere Dinge aus, mir fallen Verbindungen oder Aspekte der Landschaft auf, die ich vorher nicht gesehen habe, oder beim Vorbeigehen übersehen hätte. Deutlich zeigt sich, es gibt immer so viel mehr zu entdecken, wenn man dafür offen ist. Das Ergebnis davon: jede Menge Bilder.
Der Sonnenkopf in der Berichterstattung des Spiegels
Der Spiegel lässt sich auch nicht lumpen, über den Sonnenkopf zu berichten. Im August 2023 rief ein Wanderer um Hilfe bei einem Bekannten, lehnte aber wegen möglicher Kosten einen Bergrettungseinsatz ab. Schließlich musste er aber doch gerettet werden. Dem Spiegel ist das eine Schlagzeile wert mit dem Titel: „Wanderer will sich zunächst nicht retten lassen – zu teuer„. Es folgt ein Artikel mit 23 Zeilen und einem Bild, das nicht zur zitierten Meldung bei der Polizei passt. Es zeigt nämlich den Entschenkopf im Abstieg vom Schnippenkopf. Aber das war halt das Bild, das die Redaktion aus dem Vorrat einer Bildagentur ausgewählt hatte – immerhin mit der Unterzeile: „Allgäuer Alpen (Symbolbild)“. Warum aber berichtet der Spiegel überhaupt über ein solches Ereignis? Sollen die Menschen vom Wandern abgehalten werden? Wahrscheinlich geht es einfach um Klicks. Skandalisierte Meldungen und Unfälle scheinen attraktiv zu sein.
Die Landschaft im Oberallgäu und im näheren Umkreis im historischen Vergleich
Manchmal hört man Vermutungen, die Nazis hätten einen Teil ihres Grußes in den Wald, der westlich des Sonnenkopfes hoch wächst, geschnitten. Dies hat sich angeblich aber als Gerücht herausgestellt, da historische Aufnahmen zeigen (hier z. B.), dass die Waldschneisen schon vor 1933 bestanden. Wer näheres dazu wissen möchte, kann beim Heimathaus oder Alpenmuseum in Sonthofen nachfragen. Heute kann man ein „S“, ein „I“ und vielleicht ein „G“ erkennen. Aber diese Formen dürften den besonderen Eigenschaften der Hänge und den Ansprüchen der Weidewirtschaft geschuldet sein.


Vor 100 Jahren: Deutlich weniger Wald im Oberallgäu
Eine andere Art von Vergleich soll hier vor allem angeführt werden, denn er zeigt, dass das südliche Oberallgäu vor 100 Jahren deutlich weniger Wald kannte als heute. Der Ausblick vom Sonnenkopf im vorhergehenden Bild zeigt dies besonders deutlich. Dies ist nach meiner Vermutung eine Folge der intensiven Alpwirtschaft und kleinbäuerlichen Strukturen zur damaligen Zeit. Viel mehr Menschen als heute waren von der Landwirtschaft abhängig und hatten einen eigenen Hof. Jeder noch so kleine Winkel wurde für die Viehwirtschaft genutzt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass es damals viel mehr Weideflächen und Wiesen gab. Die Landschaft erscheint bisweilen fast völlig entwaldet gewesen zu sein. Dies ist konträr zu den Annahmen, die ich von der früheren Zeit habe. Danach war früher in puncto Naturschutz vieles besser und heiler als heute.
Auf der Webseite von Fotohaus Heimhuber gibt es noch mehr Vergleichsbilder Damals und Heute, die meine Beobachtung unterstreichen. Hier folgen Heimhubers Bilder aus der nahen Umgebung mit demselben eindeutigen Befund: Sonnenkopf – Blick nach Norden, Riezlern – Blick nach Westen zum Hohen Ifen, Blaichach – Blick zum Großen Daumen, Gunzesried – Blick in Richtung Blaicher Horn, Tannheim – Blick in Richtung Einstein, Pfronten – Blick in Richtung Vilstal, Jochbergpass – Blick in Richtung Sonthofen:
Hier noch eine Reihe von Bildern, die auf der fast gleichen Tour wie oben beschrieben, nur in umgekehrter Richtung begangen, im November 2022 entstanden sind:
Winterwanderung auf den Sonnenkopf
Zum Schluss noch Bilder von einer Winterwanderung auf den Sonnenkopf am Spätnachmittag Anfang Februar dieses Jahres. Es herrschte zu der Zeit eine länger anhaltende Inversionswetterlage: Kalter Frost in den Tallagen mit Hochnebel, in der Höhe herrschten relativ milde Temperaturen. Schnee war allerdings nicht viel da. Da eine gut angelegte Spur bereits vorhanden war, ging es gut ohne Schneeschuhe. Diesmal war Beilenberg Ausgangspunkt. Die Route ging über Sonthofener und Altstätter Hof und das Hühnermoos im Aufstieg. Der Abstieg führte wieder über den Großen Hof und an der Sonnenklause vorbei zurück zum Ausgangspunkt.
Das Highlight dieser Tour war natürlich das Durchschreiten der Hochnebelgrenze, der Ausblick und der Sonnenuntergang über den Nebelmeer. Wie großartig und immer wieder verblüffend es ist, den Unterschied zwischen dem Aufenthalt unterhalb der Nebeldecke und oberhalb des Nebelmeeres zu erleben. Einfach unglaublich und immer wieder unvorstellbar von unten im Tal. Zu dieser Zeit war niemand mehr unterwegs, und ich kam noch im letzten Licht wieder zurück.
Historische Karte vom Gebiet um den Sonnenkopf
Eine alte Karte, wie sie z. B. im Bayern Atlas abgerufen werden kann, spricht nicht vom Schnippenkopf, sondern vom „Schnipperkopf“. Den Heidelbeerkopf gibt es darin noch nicht. Der Sonnenkopf wird darin „Schnipperköpfel“ genannt. Den Großen und Kleinen Hof findet man unter der Bezeichnung „Hinanger Hof,“ daneben gibt es noch einen „Schellanger Hof,“ aber diese Weidefläche gibt es heute nicht mehr. Sie ist von Wald bewachsen. Ob „Hof“ generell eine Bezeichnung für Weidegebiete war, oder ob der Begriff immer mit eine Alpe in Verbindung stand? Heute kennen wir ja noch die Wendung „Haus und Hof“. Auf jeden Fall zeigt die alte Karte vom Bayernatlas auch, dass früher sehr viel weniger Wald in diesem Gebiet stand. Der Entstehungszeitraum der historischen Karte liegt zwischen 1806 und 1864.