Wer über die Kemptner Hütte zur Mädelegabel will, der muss früh aufstehen. Der erste Bus, der von Obersdorf am Bahnhof nach Spielmannsau fährt, startet erst um 7:45 Uhr. Das ist für eine solche Tour im Sommer deutlich zu spät. Früh wandert der, der nicht länger als nötig in der Mittagshitze verweilen will, vom Aufstieg auf die Mädelegabel zur Mittagszeit ganz zu schweigen. Wer diesen Weg über den Sperrbachtobel, an Kemptner Hütte, am Mädelejoch vorbei weiter wandert und unterhalb vom Kratzer zur Schwarzen Milz (nicht zu verwechseln mit dem Schwarzmilzferner) und schließlich zur Mädelegabel insgesamt 1650 Höhenmeter aufsteigt, ist ca. 11 km unterwegs. Das ist eine große Tour, und ein Outdoor-Tourenplaner gibt für diese Variante 5 Stunden Gehzeit an. Das heißt, wer um 8.05 Uhr in Spielmannsau startet, wird vielleicht erst um 13 Uhr am Gipfel sein und in der prallen Hitze die letzten Meter bewältigt haben.
Der späte Vogel fängt den ersten Bus
Warum es für ambitionierte Bergsteiger keine frühe Bustour gibt, verstehe ich nicht. Eine ähnliche Situation besteht auch in Hinterstein. Ich vermute, dass die Interessen der Jäger und vielleicht auch Anwohner stärker sind als die Interessen der Wanderer und Bergsteiger, die hoffentlich andere Wege finden, vor dem Gewitter wieder im Tal zu sein.
Zur Mädelegabel lieber mit dem Rad
Als ein Bürger der Gemeinde Bolsterlang kann ich das Problem umgehen, indem ich für eine solche Tour mit dem Fahrrad anreise. Das aber bedeutet, schon einiges an Reserven für die 320 Höhenmeter zum Ausgangspunkt zu verbrauchen. Zudem vermeide ich damit das Tragen einer Gesichtswindel, weil ich nicht mit dem Bus und der Bahn fahre. Wer immer noch von dem sehr zweifelhaften Einsatz dieses staubfilternden Gewebes für die Eindämmung einer viralen Erscheinung überzeugt ist, mag sich fragen, warum sich selbst ein Herr Lauterbach nun mit Corinna angesteckt hat. Ja, gibt es denn gar nichts, was das Ausbreiten dieses Keims verhindert? Ob sich unser LauterPanikbach aber jetzt geschlagen gibt und zurücktritt, bezweifle ich. Es gibt sicher noch einige Anliegen des organisierten Verbrechens, die er in seiner Position voranbringen darf.
Unterhalb der Mädelegabel: Wechselspiel von Lechtal- und Allgäuschichten
Landschaftlich hat die Tour einiges zu bieten: Blicke auf den Großen Krottenkopf und den Ramstall-Kopf, das Allgäuer Dreigestirn und die sanften Hügel und Wiesen um die Schwarze Milz. Wer ein paar Schritte weiter nach Norden aufsteigt, gewinnt einen atemberaubenden Blick in das enge Trogtal mit seinen stark zerklüfteten Hängen und Wänden, in dem die Trettach entspringt. Die Einblicke in die Geologie der Allgäudecke und ihre Überlagerung durch die Lechtaldecke faszinieren. Besonders nenne ich den Bereich unterhalb der Trettach und weiter entlang des Rückens zwischen Mädelegabel und Kratzer, wo gut erkennbar Hauptdolomit die Allgäuschichten überlagert. Beeindruckend sind auch die Trettachrinne und die Hinterlassenschaften des kaum noch vorhandenen Schwarzmilzferners mit seinen kleinen Moränenwallen und Gletscherschliffen. Eine Begegnung mit den Steinböcken dürfte nicht unwahrscheinlich sein. Auch die Aussicht vom Gipfel der Mädelegabel ist nicht zu vergessen.
Wer auf die entsprechende AV-Karte „Allgäuer-Lechtaler Alpen – West“ schaut, findet dort Geländeabschnitte mit interessanten Bezeichnungen: „Nachtböden“, „In den wilden Gräben“, „In der roten Erde“, „Kreuzelboden“, „Altmann“ und „Gänsfüßl“.
Auf dem Rückweg gibt’s eine Einkehr auf der Kemptner Hütte, während derer die Sonne weiter auf meine Wadln brennt. Der krönende Abschluss ist die Abkühlung in den Gumpen des Sperrbaches, bevor es mit dem Rad bald wieder heimwärts geht.