Entschenkopf – Winter ade und letzte Skitour?

Entschenkopf – Winter ade und letzte Skitour?
Mächtige Wechte am Entschenkopf mit den typischen Strukturen von Sommerschnee an allen Seiten...

Wann ist der Winter für einen Skitourengänger vorbei? Eine rhetorische Frage, denn die Antwort wird von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausfallen. Der eine räumt seine Skitourenausrüstung schon im April in den Keller, während andere noch weitere zwei Monate durch die Alpen ziehen. In diesem Jahr gibt es in hohen Lagen noch sehr viel Schnee. Das kommt all jenen zu Gute, die bereit sind, auch längere Tragestrecken, zum Beispiel beim Zustieg auf eine Alpenvereinshütte, oder eine Anreise mit dem Fahrrad in Kauf zu nehmen, um in den letzten Winkel eines Tales zu gelangen. Im Allgäu gibt es zwei klassische Frühjahrestouren für die, die mit dem Rad zum, oder nahe an den Ausgangspunkt zu fahren bereit sind: im Hintersteiner Tal der Große Wilde als Skitour in meiner Beschreibung, der Große Wilde als Skitour in der Beschreibung von Kristian Rath, und der Entschenkopf im Rettenschwanger Tal. Beide Gipfel liegen ganz am Ende des Tales und bieten nordseitige, bzw. ostseitige Hänge, in denen sich der Schnee lange hält.

Bike+Ski zum Entschenkopf
Ein freundlicher Abschleppdienst, mit kräftigem Treten meinerseits. (Bild: Mario)

Wann also ist der Winter im Allgäu für einen Skitourengänger vorbei? Wenn der Kratzer seine Rippen zeigt, oder vielleicht dann, wenn den Entschenkopf mehr Wanderer als Skitourengänger besteigen? So war es wohl am 19. Mai dieses Jahr. Vier Leute mit Ski und mindestens so viele Wanderer waren es. Schon die Anreise mit dem Fahrrad bis zur Hinteren Alpe Entschen ist weit und beschwerlich, wenn man nicht mit einem E-Bike unterwegs ist. Ich hatte Glück, weil mich zwei Freunde mit dem Elektrorad abwechselnd an der Leine zogen. Schon erstaunlich, was die E-Motoren der Räder heute leisten können. Aber ich kam auch so ganz schön ins Schwitzen. Das Fahren mit Skischuhen auf meinem alten Drahtesel ist gewöhnungsbedürftig, geht aber erstaunlich gut.

Feiner Firn zum Abfahren
Doch noch feines Wetter und feiner Firn bei der Abfahrt vom Entschenkopf…

Wir sind nicht die einzigen auf dem Weg zum Entschenkopf…

Ein weiteres Rad stand schon an der Alpe auf etwa 1450 Metern Höhe. Der Himmel war bewölkt, und die Sonne nicht in Sicht. Höhere Gipfel waren in Wolken. Seit die beiden Freunde die Tour auf den Entschenkopf vor drei Wochen gegangen waren, war viel Schnee geschmolzen. Nur noch unterhalb des Nebelhorns gab es eine zusammenhängende Schneedecke, bevor wir höhere Lagen erreichten. So holten wir in einem weiten Bogen aus, und steuerten in etwa an Punkt 1790 vorbei auf den Gipfelhang zu. Zuvor fuhr die Skitourengängerin, der wohl das Rad an der Alpe gehörte, wortlos an uns mit schönen Schwüngen auf dem Firn oder Sommerschnee vorbei. Ich empfinde immer Neugier, wer da bei diesem Wetter, im Mai, wenn es im Tal schon Sommer ist, noch auf Skitour geht, noch dazu bei einer solch beschwerlichen Anreise. Quasi „Verrückte“ unter sich, oder Menschen, die ähnlich ticken. Aber zu einem kurzen Austausch kam es nicht.

So gingen wir weiter, links vorbei an Punkt 1861 und auf den Gipfelhang zu. Von den großen Wechten am Grat oben war nur noch wenig zu sehen, und der Aufstieg bis zum Skidepot nicht mehr weit. Die Sonne aber blieb weiterhin verborgen hinter den Wolken. Oben auf dem Grat zeigte sich der Rest der Wechten dann doch noch erstaunlich groß und wir schätzten das Volumen des größeren Teiles auf etwa 100 m³. Das ist ein schweres Gewicht, und lässt erahnen, warum an Graten an der windabgewandten Seite oft große Brocken Erde mit der Vegetation heraus gebrochen werden.

Reste von Graupel am Entschenkopf
Zucker am Gipfelaufbau des Entschenkopfes: kein Neuschnee, sondern der Rest eines lokalen Graupelschauers.

Graupel am Entschenkopf

Je näher wir dem Gipfel kommen, desto deutlicher wird auch, dass am Gipfel kein Neuschnee, sondern die Reste von einem Hagel- oder Graupelschauer aus der letzten Nacht liegen. Aus der Ferne sah es wie leicht überzuckert aus. Wir hatten uns nur gewundert, dass auf den umliegenden Gipfeln oder Höhen nicht die gleiche Erscheinung zu sehen war.

Am Gipfel vom Entschenkopf zeigte sich das Wetter zunehmend freundlicher, und es war abzusehen, dass die Sonne doch noch ihren Auftritt haben würde. Wir machten uns nach einer kurzen Rast an die Abfahrt nach Ost und Nordost. Knapp 400 Höhenmeter ging es auf einem herrlichen Firn abwärts. Beim Wiederaufstieg klebten die Felle nicht mehr richtig, weil sie zu nass waren. Das nächste Mal unter diesen Bedingungen muss ich die Oberflächen wohl einfach besser abtrocknen.

Blick auf die Nordseite des Nebelhorns
Wengenköpfe und das Nebelhorn… Bis etwa hier ging es auf der ersten Abfahrt vom Entschenkopf.
Quellwolken über dem Großen Daumen
Blauer Himmel und starke Quellwolken über dem Großen Daumen…

Gemsen auf Spaziergang…

Oberhalb von Punkt 1861 auf dem Rücken, der über Südost zum Gipfel führt, machten wir Mittagspause und genossen die Windstille und wärmenden Sonnenstrahlen. Zu meiner Freude tauchten ca. 200 Meter entfernt zwei Gemsen auf, die ich beobachtete und mit der Kamera verfolgte. Ein Tier lief etwas voraus, und legte sich irgendwann nieder, um kurz darauf wieder aufzustehen und abzuhauen. Ob das ein Paar war und sie auch Krisen in der Partnerschaft kennen? Oder zierte sie sich, und es bestand (noch) gar keine Partnerschaft?

Gibt es eine Skiabfahrt auf der Nordseite des Nebelhorns?

Von da aus blickten wir direkt auf die Nordseite des Nebelhorns und die Nordwestflanken der Wengenköpfe. Unweigerlich suchte ich nach einer Route, über die eine Skiabfahrt denkbar wäre, habe ich doch auf einer alten Aufnahme von Fritz Heimhuber jun. aus den 30er Jahren gesehen, wie zwei Bergsteiger mit den Skiern am Rucksack durch die Nordwand stiegen. Wenn die damals da hoch gestiegen sind, sind sie vielleicht da auch wieder abgefahren. Ich selbst bin im vergangenen Herbst die Nordseite etwas östlich vom Gipfel abgestiegen und dachte, ja, das könnte bei sehr sicheren Verhältnissen gehen. Nun entdeckte ich aber eine andere Möglichkeit, die direkt von der Aussichtsplattform am Gipfel starten würde. Ob sie fahrbar wäre, oder doch zu steil für mein Empfinden?

Schneereste in der Nordseite des Nebelhorns
Schneereste in der besagten Nordseite des Nebelhorns.

Nachdem die Brotzeit vertilgt und die Gemsen aus unserer Sicht verzogen waren, machten wir uns an die Abfahrt. Es war herrlich warm und ich fuhr im langen Unterhemd am Fuße des Nebelhorns zurück zu den Fahrrädern. Die Fahrt auf dem Firn war ein Genuss. Auf der ansprechenden Bio-Sennalpe Mitterhaus belohnten wir uns mit einem kühlen Bier, bevor es mit fast Tempo 70 den Fahrweg zurück nach Hindelang ging. Passanten, an denen wir vorbei fuhren, und die unsere Skier an den Rucksäcken sahen, wunderten sich, wo es denn noch Schnee gäbe. Ein herrlicher Tag, und ein großes Abenteuer mit ca. 900 Höhenmeter Abfahrt.

 

Dieser Artikel hat 9 Kommentare

  1. Servus Alban, danke für Deinen schönen Bericht! Ich bin der (nicht die 😉 Skitourengeher, der wortlos an Euch vorbei gefahren ist. Das war keine böse Absicht. Wie Du schreibst, sind zu dieser Zeit nur noch halbwegs (aus meiner Sicht POSITIV) Verrückte auf Ski unterwegs. In meinem Fall ist diese Verrücktheit kombiniert mit der Tendenz zum Einzelgänger, die dann wohl den Impuls ausgelöst hat, einfach weiterzufahren. Im Nachgang schade, wenn ich Deine Worte lese. Vielleicht sieht man sich noch ein anderes Mal. Für mich ist die ST-Saison noch nicht ganz vorbei… Liebe Grüße

    1. Hey Clemens, cool, dass du dich meldest, und danke, dass du meine Verwechslung mit Humor nimmst. Ja, wäre schön, dich wieder zu treffen. Was hast du noch für Pläne?

      1. …gerne, danke auch fürs nicht Krummnehmen meiner Stoffligkeit.
        Je nach Lage im Allgäu noch auf den Ifen oder Wilden. Finale vielleicht am Arlberg. Bei der letzten Tour müssen die Verhältnisse dann hinreichend schlecht sein, so dass der Abschied nicht so schwer fällt ;). Und selbst?

        1. Tja, ich hatte letztes Jahr am 1. Juni noch so eine verrückte Tour auf den Kratzer unternommen. Ski bis zur Kemptner Hütte tragen muss i nicht wiederholen. Ansonsten vielleicht noch mal Gottesackerplateau, oder den Großen Wilden. Hab nur die nächsten 10 Tag kaum Zeit.

        2. Griasdi Clemens, warst du denn noch auf dem Großen Wilden? Vielleicht sogar am 26. Mai?

  2. Top Bericht mit schönen Bildern!!

  3. Schöner Bericht, Alban. 🙂
    Witzig, wie es sich manchmal fügt, und scheinbar unerreichbar der Kommentar und Outing der schweigend an uns vorübererzischenden „Dame* kommt. Die Welt ist ein Dorf. Drum, vieles ist ganz anders, als man sich das denkt. Frühmorgens mit der dicken Bewölkung, dachte ich auch nicht, daß es so toll werden würde. Liebe Grüße!

    1. Danke dir. Ja, ich liebe solche Fügungen. Danke für deine Leidenschaft im Skitouren Gehen. Das hat mir viele neue Möglichkeiten aufgezeigt.

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