Der Große Wilde – Skitour zum Saisonende

Der Große Wilde – Skitour zum Saisonende
Route zum Großen Wilden durch die Gamswanne...

Wenn der frühe Vogel sich verspätet und daher nicht zwischen 4 und 5 Uhr am Morgen in Hinterstein los radelt, bedeutet dies im späten Frühjahr vielleicht schon, den besten Firn bei der Abfahrt vom Großen Wilden nach Osten zu verpassen. Immerhin gingen die knapp 14 Kilometer bis zum Abstieg vom Drahtesel hinter der Pointhütte, wo eine kleine Brücke über den Stierbach führt, recht gut: die ca. 540 Höhenmeter auf dieser Strecke in 90 Minuten zu bewältigen, und das ohne E-Bike, hieß aber auch drei mal absteigen und schieben. Schließlich wollte ich mich nicht schon vor dem Aufstieg mit Ski total verausgaben. Somit ist der Große Wilde als Skitour im Frühjahr schon eine Herausforderung, die nicht für jeden passt. Viele nehmen ein E-Bike zu Hilfe.

Im Hochwinter ist die Straße sicher nicht immer fahrradtauglich, oder vielleicht nur e-Biketauglich? Die Skitour auf den Großen Wilden im Frühjahr mit dem Bus zu starten und bis zum Giebelhaus zu fahren, verkürzt das Zeitfenster, weil der erste Bus laut Winterfahrplan 23/24 bis Ende März erst um 9:15 Uhr, danach sogar erst ab 10:15 Uhr fuhr, der letzte um 16:10 bzw. um 17:10 Uhr zurück fährt. 

Der Große Wilde als Skitour mit Blick zum Schneck
Der Große Wilde als Skitour: während des Aufstiegs Blick zum Schneck.

Überwindung der Steilstufe unterhalb der Gamswanne

Am Stierbach liegt kein Schnee mehr, daher müssen die Skier erst mal ein Stück getragen werden. Dank des Lawinenschnees geht es dann nach ca. 200 Metern los. Eine durchgehende Schneedecke, bis die heikle Steilstufe überwunden ist, gibt es nicht mehr. Zwei Mal musste ich zu Fuß weiter. Dank des harten, griffigen Schnees und eines schon aperen Steiges ging es aber gut. Ein Abstieg über diese Stufe im Sommer ist in meiner Erinnerung nicht so leicht gewesen. Es empfiehlt sich beim Aufstieg auf jeden Fall vor der Stufe sich links am Hang zu halten und die Stufe ganz links zu überwinden.

Der Große Wilde als Skitour im Frühjahr: ein Klassiker

Der Große Wilde als Skitour im Frühjahr ist beliebt – eine klassische Skitour im Frühjahr, weil die nördlich ausgerichteten Hänge eingerahmt sind von relativ hohen und steilen Hängen und Graten, die das Sonnenlicht lange Zeit von der Schneedecke fernhalten. Viel Niederschlag im Hintersteiner Tal bedeutet mehr Schnee, der wegen dem Wilden Grat und dem Großen Wilden selbst relativ gut geschützt ist vor starkem Föhnsturm. Also optimale Bedingungen für eine Skitour auch noch im späten Frühjahr oder gar Frühsommer. Dennoch sollte immer bedacht werden, dass in der Gamswanne unterhalb des Gipfels und in der Steilstufe unterhalb der Gamswanne extrem steile Stellen zu überwinden sind. Ist hier der Schnee hart oder gar eisig, sind Steigeisen und Pickel unabdingbar. Ich brauchte am 26. Mai aber keine Steigeisen mehr.

Eine klare Nacht ist meine Bedingung für die Skitour auf den Großen Wilden

In den letzten zwei Wochen gab es nicht viele  Tage, an denen mir diese Tour passend erschienen wäre. Das Wetter war zu wechselhaft, warm und die Nächte kaum klar. Am 27. Mai hatte ich Glück, da es in der zweiten Nachthälfte aufklarte und die Oberflächentemperatur, zumindest an der Messstation Koblat am Nebelhorn auf unter 4° Celsius sank. Das reicht gerade für eine harte und tragende Schneeoberfläche auf dieser Tour. Ich hatte vor dem Start zuhause noch die aktuellen Daten abgerufen und für gut befunden. Der Wetterbericht hatte bis in den Nachmittag Sonne vorhergesagt. Also, beste Aussichten.

Temperaturdiagram der Messtation am Nebelhorn
Temperaturdiagram der Messtation am Nebelhorn im Zeitraum 24. bis 27. Mai. Abkühlung der Schneeoberfläche in der Nacht vor der Tour auf -4,2° C.

Der Große Wilde als Skitour von Hinterstein: zwei Aufstiegsvarianten

Der weitere Aufstieg erfolgt entweder links aus der Gamswanne heraus und dann über den Nordostrücken zum Gipfel, oder direkt durch die Gamswanne. Die erste Variante ist die leichtere. Ich habe die zweite gewählt, weil ich auf dieser Tour im Winter das erste Mal unterwegs bin und den Ausstieg aus der Gamswanne weiter hinten vermutet hatte. Obwohl ich anfangs den Spuren der Leute vor mir gefolgt bin, habe ich diese im flachen Gelände am Anfang der Wanne und auf der harten Oberfläche aus den Augen verloren. Wieder einmal dachte ich, ich weiß, wo der Weg lang geht. Der Ausstieg wäre gleich auf den ersten 100 Metern links gewesen. Hätte ich diesen Ausstieg gewählt, hätte ich dann ab dem Ausstieg den Hochvogel und die Hornbachkette vor oder neben mir zur Ansicht gehabt.

Der Weg durch die Gamswanne sieht vom Eingang der Wanne kurz aus. Von oben sieht die Strecke aber doch weiter aus es auf den ersten Blick zu sein scheint. Immerhin sind es ca. 400 Höhenmeter Unterschied. Ich habe, weil der Schnee im ca. 40° steilen Hang am Ende um kurz vor neun Uhr doch schon sehr weich war, die Skier abgeschnallt und bin zu Fuß und mit Pickel weiter aufgestiegen. Das ging ohne Probleme. Bei dem lockeren Sulz war der lange Pickel aber sehr hilfreich.

Bilder vom Aufstieg zum Großen Wilden:

Auf dem Gipfel des Großen Wilden

Obwohl vor mir vier andere Skitourengänger unterwegs waren, war ich am Gipfel nach 2 1/4 Stunden Aufstieg alleine. Einer (vielleicht wieder Clemens, der meinen Beitrag über die Skitour zum Entschenkopf kommentiert hat?) war schon in der Gamswanne grüßend an mir vorbei gefahren. Die anderen drei sind über den Nordostrücken abgefahren und wer weiß wohin. Das Gipfelkreuz am Hauptgipfel bilden zwei kurze Holzpfähle, die mit Kabelbindern zusammengebunden sind. Nur am Nordgipfel steht ein größeres Kreuz. Der Ausblick auf Hochvogel, Höfats und das Allgäuer Dreigestirn, sowie die Hornbachkette ist schon beeindruckend, ebenso der Tiefblick auf die Käseralpe und das hintere Hintersteiner Tal.

Bilder von der Höfats:

Abstecher vom Gipfel des Großen Wilden nach Ost und Südost

Weil ich um 9:30 Uhr gefühlt immer noch früh dran war, bleibe ich nicht lange am Gipfel. Ich fahre, weit ausholend, nach Ost oder Südost ca. 4-500 Höhenmeter das herrliche Skigelände zum Jochbachtal auf gutem Firn, und weiter unten dann auf Bremsschnee ab. Wegen dem Bremsschnee fahre ich aber nicht so weit wie geplant, denn weiter unten wird es dann wieder steil. Bei dem lockeren und sulzigen Schnee wollte ich nicht im steilen Gelände aufsteigen. Hier war ich alleine. Spuren waren nirgendwo zu sehen, was aber auch nicht verwundert bei dem vielen Regen der letzten Wochen.

Bilder vom Hochvogel und der Hornbachkette:

Der Aufstieg zurück zum Gipfel über die kupierten Weiten auf der Karsthochfläche östlich des Gipfels folgte in etwa der Abfahrtsspur. Das Gelände ist einfach und stellt keine Herausforderungen dar. Lediglich der Schlussanstieg zum Gipfelgrat könnte wegen der Steilheit und fortgeschrittener Zeit und wegen der Wächte oben am Grat schwieriger sein. Nun habe ich die Sonne im Rücken und den Hochvogel rechts neben mir. Andere Skitourengänger sind nicht zu sehen. Beim zweiten Mal am Gipfel lasse ich mir mehr Zeit, denke aber, dass ich nicht zu spät in die Gamswanne fahren möchte, weil der Schnee im Aufstieg schon sehr locker war. Sicher ist sicher. Daher verschiebe ich die Brotzeit auf später. Am Gipfel ist es herrlich warm, fast windstill und die Sicht ist klar. Bis ich bereit bin für die Einfahrt in die Gamswanne ist es 11 Uhr.

Der Große Wilde als Skitour: Abfahrt durch die Gamswanne

Bei der Einfahrt in die Gamswanne kommt mir ein Bergsteiger zu Fuß entgegen, der Firngleiter am Rucksack trägt. Um diese Jahreszeit habe er keine Lust mehr auf Skitouren, und das Fahren mit Firngleitern mache auch Spaß. Er ging die Gamswanne hoch, weil er nur dort abfahre, wo er auch vorher im Aufstieg gewesen war. Der steile Hang im oberen Bereich der Wanne war schon sehr sulzig und es löste sich einiges an lockerem nassen Schnee. Nach einer Querung nach links und zurück nach rechts fahre ich mehr in die Mitte der Wanne. Im Schatten ist der Schnee immer noch hart. Es geht weniger steil und weiter unten flach auf wunderbarem Firn weiter, bis mir ein anderer Skitourengänger begegnet.

Nach einem kurzen Austausch über die Lage fahre ich bis an den Rand der Steilstufe, die etwas links der Mitte über eine noch schneebedeckte Rinne verlassen wird. Dort ruht sich ein weiterer Skitourengänger im Aufstieg gerade aus. Ich schnalle die Ski ab und trage sie den kurzen Steig bis zum Wiederanschnallen. Die Rinne ist sehr steil, steiler als der obere Teil der Gamswanne. Der Schnee ist weich, aber noch nicht zu weich und somit rutsche ich erst seitwärts ab, bevor es weniger steil wird und ich schwingend weiterfahre. Hier ist der Schnee noch nicht vollständig in Sommerschnee umgewandelt und bremst daher etwas. Erst die letzten ca. 300 Höhenmeter bieten guten Sommerschnee zum Fahren.

AV-Kartenausschnitt Großer Wilder, Gamswanne
AV-Kartenausschnitt Großer Wilder, Gamswanne aus der Karte „Allgäuer Hochalpen: Hochvogel, Krottenkopf“; grün meine tatsächliche und eine mögliche Aufstiegsroute über den Nordostrücken, gelb meine ungefähren Abfahrtsrouten.

Der Große Wilde als Skitour: Fazit

Schade, dass sich niemand gemeldet hat auf meine Anfrage nach einem Tourenpartner in der FB-Gruppe „Skitouren im Raum Allgäu“. Mir fällt es immer noch etwas schwer, die Verhältnisse bzgl. des besten Zeitpunkts für den perfekten Firn , aber auch für den spätesten noch vertretbaren Zeitpunkt für das Einfahren in steile Hänge mit weichem nassen Schnee abzuschätzen. Auch die Entscheidung für oder gegen eine solche Tour in Abhängigkeit von der Schneequalität, also die Frage, ob der Schnee schon genügend und tragfähig umgewandelt ist, oder ob er nach einer nur teilweise klaren und warmen Nacht genügend hart ist, ist nicht immer leicht, finde ich. Da könnte mir mehr Austausch mit erfahreneren Leuten gut tun. Oder einfach öfter das Gelände aufsuchen und aus Fehlern lernen.

Ich bin froh, dass der Große Wilde als Skitour in diesem Frühjahr mir noch gelungen ist. Ich würde sagen, gerade noch rechtzeitig, bevor das Verhältnis zwischen Aufwand bzw. Schinderei und Genuss dem ersteren zuneigt. Angesichts der weiten Anfahrt bin ich immer wieder erstaunt, wie häufig die Tour doch gemacht wird. Es ist eben eine richtige Modetour geworden.

Weitere Bilder von meiner Wildentour:

Zeugnisse starker Gleitschneelawinenaktivität:

Dieser Winter scheint der Winter der Gleitschneelawinen zu sein. Die Menge an Erdreich, das mit Lawinen talwärts transportiert wurde, ist schon auffallend groß. In der Höhe ab 2000 hat es noch viel Schnee, unterhalb von 1600 Höhenmetern sieht es auch in geschützen Bereichen wie im hinteren Hintersteiner Tal sehr mau aus.

Eine lesenswerte Beschreibung mit vielen Bildern von dieser Tour gibt es auch auf der Seite von Pat Schwarzmann: Skitour auf den Großen Wilden.

Über die andere klassische Allgäuer Skitour im Frühjahr habe ich hier geschrieben: Entschenkopf.

Literatur und Karten für die Skitour auf den Großen Wilden:

Skitourenführer Allgäu, Panico Verlag

Alpenvereinskarte Bayerische Alpen, Allgäuer Hochalpen, Hochvogel, Krottenkopf

Alpenvereinskarte Allgäuer-Lechtaler Alpen – Ost

Für die Richtigkeit der Angaben übernehme ich keine Gewähr.

Interessant ist aber, dass in der ersten erwähnten AV-Karte nur vom Großen Wilden, Hinteren und Kleinen Wilden die Rede ist. In der zweiten erwähnten AV-Karte ist die Rede vom Nordgipfel, dem Großen Wilden in der Mitte, dem Südgipfel und dem Kleinen Wilden. Mein Text übernimmt die Bezeichnungen der zweiten Karte.

 

Dieser Artikel hat 4 Kommentare

  1. Servus Alban, mit so einem ausführlichen Bericht kann man die Tour noch mal „geistig“ nachwirken lassen. Toller Bericht und sehr informativ. Ich war der, dem du im unteren Teil der Gamswanne begegnet bist und mein Cousin war der Pausierer am Ende der Gamswanne. Ich war natürlich super spät dran und hatte mit weichem Schnee und Schneerutschen zu kämpfen, aber das Wetter und die Stimmung haben die Mühen wieder wett gemacht. Gruß, Alex

    1. Griasdi Alex, danke, auch, dass du dich noch einmal zeigst. Nach deinem Kommentar in der FB-Gruppe war ich mir nicht sicher, ob du derjenige bist. Freit mi, und au, dass du die Berge fotografierst. Hast du die Gamswanne im Aufstieg links verlassen oder bist du sie bis zum Ende aufgestiegen? Wie oft warst du schon auf dieser Tour unterwegs?

  2. Hallo Alban
    Danke für die wunderbaren Bilder die mich sehr faszinieren.Ich mache zwar keine Skitouren (nur Langlauf) aber ich liebe die Berge und freu mich immer über deine Beiträge.
    Liebe Grüße
    Maria

    1. Danke Maria, Langlaufen ist ja auch ein schöner Sport. Ich erinnere mich noch, wie ich früher auf den Feldern meiner Eltern und in der näheren Umgebung querfeldein mit den Langlaufski unterwegs war. Das ist heute nicht mehr so möglich, meist nur noch an ganz wenigen Tagen, wenn überhaupt. Das Skitourengehen erlaubt es mir, auch im Winter häufig in die Berge zu gehen. Ohne Ski würde ich zu tief einsinken. Mit Ski ist es auch möglich, an Orte zu kommen, an die man zu Fuß im Sommer nicht oder eher nicht hinkäme, weil sie zu abgelegen oder zu unzugänglich sind. Außerdem mach das Abfahren großen Spaß.

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