Ein großes Plateau mit bizarren Felsformationen erstreckt sich dies- und jenseits der deutsch-österreichischen Grenze ganz im Süden Deutschlands um den Hohen Ifen. Dieses Plateau nennt man Gottesacker, also den Acker Gottes. Das Gottesackerplateau ist eine riesige Karstfläche. Ich verstehe darunter ein flaches felsiges Gelände aus verwittertem Gestein, dass unter der Einwirkung von chemischer Verwitterung verändert wurde.
Der Prozess der chemischen Verwitterung
Ich ging bisher immer davon aus, dass die Kalkgesteine der Berge einfach durch die Einwirkung des Wassers verwittert werden. Wasserlösliche Mineralien würden aus dem Gestein gelöst, das dadurch seine Form verändert. Im Alpenraum wäre dies zum großen Teil durch das Gletscherschmelzwasser der vergangenen Eiszeiten geschehen, so dachte ich. Aber Kalkstein und Dolomit sind Karbonatgesteine, die mit der im Wasser enthaltenen Kohlensäure reagieren. Die Kohlensäure reagiert mit dem Carbonat im Gestein und so entsteht das im Wasser gelöste Calciumhydrogencarbonat, das hauptsächlich für die Härte des Wassers im Allgäu verantwortlich ist. Steigt die Temperatur, so fällt das Calciumcarbonat aus der Lösung aus. Wir kennen das als Kalkablagerung in Wasserkochern. Auf diese Weise entstehen auch die Tropfsteine in den Höhlen, wobei aber nicht nur die Temperatur eine Rolle spielt.
Typisch für eine solche Landschaft sind Vertiefungen, also Rillen oder Rinnen, sogenannte Karren, und größere Niederungen und Höhlen. Auch beachtlich große Spalten im Fels können auftreten. Im Laufe der Jahrtausende hat das Wasser in Verbindung mit Kohlensäure Hohlräume aus dem Stein heraus „gelöst“. Das Gestein kann dabei sehr scharfe Grate und Kanten bilden, an denen man sich leicht schneiden kann. Eine andere Gegend mit diesen typischen Gesteinsformen ist der Burren im Westen Irlands, oder im Allgäu weiter östlich das Plateau östlich des Großen Wilden.
Im Winter sind die kleinräumigen Strukturen unter dem Schnee verborgen. Größere Mulden und Senken oder gar Löcher bleiben sichtbar, aber können auch zugeweht werden und dann für den einzelnen Skifahrer oder Wanderer bei Einsturz gefährlich werden. Gefahr besteht generell auch bei schlechter Sicht. Dann kann man sehr schnell die Orientierung verlieren. Ich habe das selbst erlebt. Daher ist das Gottesackerplateau im Winter bei starkem Schneefall, Whiteout oder Nebel nicht zu empfehlen. Auch im Sommer bei Nebel oder sehr dichter und tiefhängender Bewölkung tritt diese Gefahr auf, dass man sich schnell verirrt oder gar in Gelände gerät, in dem ein Sturz böse Folgen haben kann, z. B. bei einem Sturz in eine Felsspalte.
Gottesackerplateau – welch ein Name!
Warum aber nannten die Menschen das Plateau Gottesacker? Nach meiner Interpretation wohl deshalb, weil das Gelände tiefe Furchen aufweist, wie wir es von einem frisch gepflügten Acker kennen. Außerdem ist es durch seine Lage dem unmittelbaren und alltäglichen Einfluss des Menschen entzogen. Durch die Schichtung des Gesteins und die geringe Hangneigung sind relativ regelmäßige Strukturen entstanden bzw. sichtbar geworden. Die Zeiträume, in denen diese Formen entstanden sind, entziehen sich der Vorstellung des Betrachters. Somit verwundert es mich nicht, dass Menschen diese Bezeichnung „Gottesacker“ für das Gottesackerplateau gewählt haben.
Hoch oben auf dem Gottesackerplateau…
Aus dieser Bezeichnung spricht auch eine Vorstellung der Trennung der Sphäre Gottes und des Menschen. Hier die Domäne Gottes, unten im Tal die des Menschen. Diese Vorstellung der Trennung stellt eine grundlegende Prämisse für die meisten Menschen dar, ob sie sich dessen bewusst sind oder nicht.
Die materielle Welt spiegelt uns eine Welt der Trennung vor, eine Welt, in der alle Dinge getrennt sind von allen anderen. Unter dem Elektronenmikroskop gibt es diese Welt der Trennung aber nicht. Wären wir damit ausgestattet, die Spektren des Lichtes, die unser Auge nicht sehen kann, wahrzunehmen, würden wir wohl nicht davon ausgehen, dass die Dinge dieser Welt alle getrennt von einander sind. Die Frage, ob die Wirklichkeit eine der Trennung oder eine der Einheit ist, ist vielleicht die fundamentalste von allen. Ist die Welt eine objektive, oder eine subjektive. Die Antwort hat weitreichende Implikationen. Letztlich ist es eine Frage nach dem Ursprung von allem, dem Ursprung der Existenz, des Lebens.
Trennung oder Einheit?
Die Vorstellung, es gäbe zwei oder mehrere Ursprünge der Existenz oder des Lebens, ergibt keinen Sinn. Wenn wir den Ursprung des Lebens, den Ursprung von allem, was es gibt, Gott nennen, und wir alle Kinder Gottes sind, wer ist dann Jesus? Ist er von uns verschieden und anders, oder mit mehr Macht ausgestattet? Ist der Gedanke der Trennung mit dem Gedanken der Einheit vereinbar, oder ist der eine wahr, der andere falsch? Gab es eine Notwendigkeit, dass Jesus sein Leben für uns zur Erlösung aus unseren „Sünden“ hingab? Oder ist das eine falsche Erzählung, die man für uns konstruiert hat, um uns zu verwirren und auf Abwege zu bringen?
Wenn wir aus derselben Quelle stammen, sind wir dann nicht Gleiche unter Gleichen, vollkommen erschaffen und und für immer sündenlos? Jesus wäre in dieser Vorstellung unser Bruder, wir ihm ebenbürtig. Er sagte laut Bibel, dass wir größere Werke tun werden als er, wenn wir erkennen, wer wir in Wahrheit sind. Bis dahin liegt es dann an uns, die Idee der Trennung uns bewusst zu machen und aufzugeben zugunsten der Idee der Einheit und Vollkommenheit aller Schöpfung. Darin können wir eine neue Welt und Zugang zu Heilung und Erlösung erfahren. Dies ist der Prozess des Großen Erwachens. Gott ruft uns alle zur „Arbeit“ in Seinen Weinberg oder Acker. Wie viele antworten?