Bockkarscharte – Ausblick auf kupierte weiße Weiten

Bockkarscharte – Ausblick auf kupierte weiße Weiten
Blick von der Bockkarscharte aus: Weiße Pracht durch das Wirken von Meister Wind, Schnee und Licht.

Manche Tourenvorhaben müssen reifen und erfordern mehr Erfahrung und Selbstvertrauen als andere Touren, bevor ich mich an sie wage. Eine gewisse Zeit spiele ich in Gedanken mit der Tour, „träume“ darüber und lese dazu relevante Infos oder Berichte oder studiere entsprechende AV-Karten. Dann muss das Wetter und die Lawinenlage passen, und dann kommt auf einmal der Tag. Aber passt wirklich alles? Wie sicher kann ich sein? Kann ich die Tour alleine bewältigen, oder lieber in Begleitung? Am 2. März 2023 hatte ich beschlossen, auf die Bockkarscharte eine Skitour zu gehen. Ich ging ziemlich spät los, wohl wegen diesem Prozess des Abwägens und des Vergewisserns. 

Risikoabwägung wegen Lawinengefahr

Entscheidend für mich war, dass für diesen Tag für den Allgäuer Hauptkamm unterhalb von 1800 Höhenmetern die Lawinenwarnstufe 1 mit dem geringsten Risiko ausgerufen war. Oberhalb dieser Höhe war die Stufe 2 angesagt. Die kritische Stelle, die bis zu 40° steile Rinne durch den Felsgürtel am Ende des Bacherloches befindet sich gerade unterhalb dieser Höhe. Außerdem war aus den sonnenbeschienenen Steilhängen oberhalb des Bacherloches viel von dem Neuschnee der letzten Tage schon zu Tal gerauscht und die Schneelage allgemein ziemlich niedrig. Das gab mir die Zuversicht, dass auch ein relativ später Aufbruch noch in Ordnung war um sicher wieder zum Ausgangspunkt zurückzukommen.

Unverspurter Pulver

Zu Fuß von der Talstation der Fellhornbahn brauchte ich mit den Skiern am Rucksack eine Stunde nach Einödsbach. Von da an lag im ganzen Gelände überall noch der unverspurte Pulverschnee aus den vergangenen Tagen. Damit lag die ganze Spurarbeit über eine anstrengende Tour mit 1400 Höhenmetern bei mir. Das erfordert sehr viel Kraft und Kondition.

Aufstieg zur Bockkarscharte: die Steilstufe überwinden

In der Steilrinne untersuchte ich im unteren Drittel die Schneedecke und grub einen Schneeblock frei, um einen Bruchtest machen zu können. Der Eindruck davon gab mir die Sicherheit, dass ich den Aufstieg durch die Rinne wagen kann, denn einen Bruck konnte ich nicht erzeugen. Eine Schwachschicht war erkennbar, aber nur wenig ausgeprägt. Außerdem war kein Schneebrett vorhanden, nur ein mehr oder weniger leicht gepresster Schnee über weichem Pulver. Die Rinne konnte ich etwa bis zur Hälfte mit Ski gehen, den Rest mit den Skiern in der Hand. Steigeisen hatte ich nicht verwendet. Wenn der Schnee hart gefroren ist, wären diese unabdingbar. Theoretisch wäre ein Aufstieg entlang des Sommerweges möglich, aber der war nicht zu sehen, und dazu hätte ich wegen Vereisung sicherlich Steigeisen benötigt.

Das enge Tal des Bacherloches
Im Bacherloch, bevor es steil wird…

Bin ich hier richtig?

Der Talanstieg bis zur Rinne verläuft auf der Route des Sommerweges, den ich von früheren Touren in Erinnerung hatte. Eine davon ging auf den Bockkarkopf und auch durch das Bacherloch. Aber wenn der Weg unter Schnee verborgen liegt, sieht die Welt anders aus. Das Gelände ist immer wieder ziemlich steil. Intuitiv bin ich richtig gegangen und nicht zu nah am Bach geblieben. Denn da hätte ein Abrutschen oder Abgang von einem kleinen Schneebrett den Absturz in den Tobel zur Folge.

Blick zurück ins Bacherloch.
Blick zurück auf den bisherigen Aufstieg durch das Bacherloch, zuletzt durch steile Hänge, bevor der Tobel in Bachnähe extrem steil wird. Die Aufstiegsspur verläuft am rechten Bildrand.

Langsam geht es voran

Am Ende der steilen Rinne angekommen habe ich die Hälfte der Höhenmeter hinter mir. Dies dauerte fast vier Stunden Zeit. Ich wundere mich, warum ich solange unterwegs war. Sicher habe ich immer wieder fotografiert und in der Rinne ausgiebig die Schneedecke untersucht, wofür ich alleine 30 Minuten in Anspruch nahm. Aber für 700 Höhenmeter diese Zeit zu brauchen entspricht nicht meiner Erfahrung. Das Spuren war allerdings sehr anstrengend. 

Die restlichen 700 Höhenmeter bis zur Bockkarscharte durch das vordere Bockkar sind einfacher, weil es auf die Wegführung nicht mehr so sehr ankommt. Der Schnee war teilweise nicht mehr so tief, bzw. schon gefestigt von Wind und Sonne und einem Lawinenabgang durch ein Schneebrett knapp unterhalb der Bockkarscharte. Alles in allem habe ich für den Aufstieg fast sechs Stunden gebraucht.

In der Bockkarscharte die wohlverdiente Rast

Oben in der Scharte entscheide ich mich für eine ausgiebige Rast, um die fantastische Aussicht ins Lechtal und die weiten Hänge südöstlich der Scharte am Heilbronner Weg zu genießen. Diese Gegend hatte ich im Sommer 2022 ausgeibig erkundet, als ich zwei Mal zum Schwarzmilzferner wanderte. Ich war froh, bei fast Windstille mich von den Strapazen des Aufstieges erholen und essen zu können. Selten war ich so kaputt wie an diesem Tag. Ich dachte, ich bin eh schon spät dran, dann kommt es auf eine halbe Stunde mehr oder weniger auch nicht mehr an. Hier sind die Bilder vom ganzen Aufstieg:

Atemberaubende Ausblicke von der Bockkarscharte

Der Blick ins Lechtal ist umwerfend und atemberaubend. Mich faszinieren vor allem diese kleinräumigen kupierten Geländeformen mit den starken Schneeverwehungen und Windspielen. Ich kann mich daran kaum satt sehen.

Der Blick von der Bockkarscharte ins Lechtal und darüber hinaus zeigt viele bekannte Gipfel: die Namloser Wetterspitze, Heiterwand, Muttekopf, Große Schlenkerspitze, Holzgauer Wetterspitze, Feuerspitze und Vorderseespitze, aber auch den Hohen Riffler und viele weitere. In unmittelbarer Nähe ist der Wilde Kasten, die Wildmadhspitze, der Muttekopf, die Jöchelspitze, Rothornspitze, der Ramstallkopf und der Große Krottenkopf zu sehen. 

 

Als ich gegen 15:15 Uhr die Abfahrt von der Bockkarscharte antrete, liegt ein unverspurter Traumhang von 700 Höhenmetern vor mir. Vom Tal steigt der Nebel höher. Ich denke, Sonthofen war an diesem Tag den ganzen Tag unter dem Hochnebel. Ich hingegen konnte Sonne und den herrlichsten blauen Himmel genießen. Die Abfahrt war großartig, obwohl ich noch die Anstrengung vom Aufstieg spürte.

Überraschung wegen diffusem Licht

Lediglich der Wärmeeintrag wegen dem diffusen Licht unter dem Nebel hat mich überrascht. Wo im Aufstieg noch lockerer Pulver war, war nun im Talgrund unter dem Nebel alles nass und schwer geworden, und das Donnern der Nassschneelawinen aus den Seitentobeln war deutlich zu hören. Zum Glück war es nicht mehr viel Schnee, der sich noch entladen konnte und ich bin heil wieder am Ausgangspunkt angekommen.

Diffuses Licht unter dem Hochnebel
Das diffuse Licht gepaart mit wohl hoher Luftfeuchte führte dazu, dass der Pulverschnee vom Morgen weich wurde.

Zum Gipfel des Bockkarkopfes hätten noch 100 Höhenmeter gefehlt. Der Nordostgrat war mit großen Wächten übersät. Für mich war klar, in der Scharte ist Endstation. Ich war echt froh, dass ich es bis hierhin geschafft habe. Diese Tour wird im Skitourenführer von Kristian Rath als eine der schwierigsten angegeben. Ein großer Erfolg für mich.

 

Dieser Artikel hat 6 Kommentare

  1. Gratulation Alban

  2. Lieber Alban, wow -, ich habe gerade deinen interessanten Beitrag über deine abenteuerliche Skiwanderung voller Bewunderung gelesen, Hut ab! Deine Fotos sind atemberaubend toll, sie inspirieren mich auch für meine Malerei, weil ich gerade solche natürlich entstandenen Formen und Strukturen mit Licht und Schatten liebe. Wirklich SUPER Alban!!! danke

    1. Danke liebe Sabine, ja, die Berge sind immer wieder ein Abenteuer für mich, wenn ich die ausgetretenen Pfade verlasse und etwas Neues ausprobiere. Wir wachsen mit den Herausforderungen. Veröffentlichst du deine Bilder?

  3. hej Alban,
    super schöne Bilder und tolle Beschreibung!! ich war neugierig und deshalb auf deiner Seite! jetzt ärger ich mich fast a bissi, dass ich neulich nicht mehr nachgefragt hab 🙂
    Gute Zeit!!

    1. Danke für deinen Besuch und Kommentar, Kathi. Was möchtest du noch wissen? Kannst gerne fragen.

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